Verbraucherinformationsgesetz (VIG): Internetpranger für Gastwirte steht vor einer Neubewertung

Steht der Internetpranger für Gastwirte vor einer kompletten Neubewertung? Derzeit gibt es sehr uneinheitliche Vorgehensweisen zu diesem Thema durch die einzelnen Bundesländer. Dies zeigt die Entscheidung aus Baden-Württemberg, wo letzte Woche alle Veröffentlichungen vom Netz genommen wurden.
Seit dem Inkrafttreten des neuen Verbraucherinformationsgesetzes im Zusammenhang mit der Änderung in § 40 Abs. 1 a Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFBG), kam es aufgrund der öffentlichen Nennung von Beanstandungen (Internetpranger) immer wieder zu Diskussionen, ob die Veröffentlichungen verfassungswidrig seien. Ebenfalls besteht die Sorge, zu sehr in die wirtschaftlichen Belange der Gewerbetreibenden einzugreifen.
In Zusammenhang mit dem wirksamen Inkrafttreten des neuen Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) zum 01.09.2012 war eine Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen im Internet vorgeschrieben, bei denen ein Bußgeld von mehr als 350 Euro zu erwarten ist. Bisher wurde dies sehr kontrovers gesehen und lediglich von folgenden Bundesländern umgesetzt (bitte klicken):

Bayern >>>

Baden-Württemberg >>>

Nordrhein-Westphalen >>>

Hessen >>>

Berlin >>>

Berlin ging noch einen Schritt weiter und  bewertete im Anschluss an die Kontrolle, die angetroffene Hygiene nach Schulnoten (1-5) in Verbindung mit den dabei erzielten Minuspunkten (max. 80 Minuspunkte waren möglich).

In Baden-Württemberg werden mit Bekanntgab durch das zuständige Ministerium zum 08.03.2013 alle bisher veröffentlichten Verstöße von den Internetseiten genommen. Ein Schreiben des Ministeriums ländlicher Raum ging diesbezüglich an die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden. Diese Vorgabe  soll binnen einer Woche umgesetzt werden.

Berlin hatte bereits schon zuvor die Kontrollergebnisse vom Netz genommen. Eine Information hierzu ist bisher nicht bekannt und auch nicht auf der entsprechenden Webseite ersichtlich. Die Plattformen der Länder Bayern, Hessen, Nordrhein-Westphalen zeigen bisher weiterhin die Ergebnisse öffentlich.

Zu den öffentlichen Einträgen im Sinne des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) gab es seit Inkrafttreten erheblichen Widerstand und auch viele Widersprüche mit entsprechenden Urteilen. Die Entscheidungen der Gerichte hierzu fielen sehr unterschiedlich aus. Besonders die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.01.2013, Az. 9 S 2423112 und die daraus zu ziehenden Schlüsse für den weiteren Vollzug in Baden-Württemberg wurden durch das zuständige Ministerium eingehend geprüft.
Mit dem Ergebnis, dass die Rechtsprechung bislang keine eindeutige Tendenz erkennen lässt und sehr uneinheitlich ist, wurde die Prüfung abgeschlossen.
So lässt sich generell feststellen, dass die Verwaltungsgerichte das Rechtsschutzinteresse der Lebensmittelunternehmer aufgrund der Öffentlichkeitswirkung (Pranger) einer Veröffentlichung hoch gewichten. Dies trifft vor allem zu, wenn sie lediglich eine Entscheidung im Hinblick auf eine Folgenabschätzung der Information treffen (irreversibler Schaden, da eine rechtswidrige Information nicht mehr rückholbar ist). Der Grundrechtsschutz der Wirtschaftsbetriebe wird hoch gewichtet, wo sich hingegen der  Schutz der Verbraucher auf einen reinen Gesundheitsschutz reduziert.

Es bestehen Bedenken nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshof (VGH),
ob die Veröffentlichung von Verstößen gegen Verbraucherschutz-Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) im Internet ("Pranger") mit EU-Recht und deutschem Verfassungsrecht vereinbar ist.
Daher können Gastwirte eine Unterlassung der Veröffentlichung verlangen, bis über deren Rechtmäßigkeit in einem Hauptsacheverfahren entschieden ist, da diese Veröffentlichung mit Eingriffen in ihre Grundrechte verbunden ist.
Diese einstweilige Anordnung sei zur Sicherung der Grundrechte des Antragstellers auf informelle Selbstbestimmung und Ausübung seines Berufs geboten.
Eine öffentliche Information der Verbraucher mittels eines Internetprangers greife schwerwiegend in diese Rechte ein. Ob die Grundrechtseingriffe rechtmäßig seien, müsse nach Ansicht des VGH in einem vom Antragsteller anzustrengenden Hauptsacheverfahren geklärt werden.

Die gebotene Abwägung, die meist im Eilverfahren vollzogen wird, falle in Folge einer Gewährung oder Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes, meist zugunsten des Antragstellers aus. Dabei ist entscheidend, dass eine weitere Veröffentlichung seine Grundrechte erheblich gefährde oder gar irreparabel verletze.
Die verfolgten Zwecke dieser Veröffentlichung im Sinne des Verbraucherschutzes hätten ein geringeres Gewicht als die Interessen des Antragstellers.
Der Beschluss des VGH  ist unanfechtbar.

Formal gesehen trifft der VGH weder eine Entscheidung für noch gegen die Vorschrift des § 40 Abs. 1a LFGB, sondern behält sich eine materielle Entscheidung in der Sache in einem Hauptsacheverfahren vor. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache lässt der VGH offen. Allerdings legt der VGH seine verfassungsrechtlichen Bedenken dem Bundesverfassungsgericht nicht nach Artikel 100 Grundgesetz (GG) vor, da er eine abschließende Entscheidung einem Hauptsacheverfahren vorbehalten will.

ln diesem Zusammenhang sind auch die Beschlüsse des Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg vom 1 8.01 .2013 Az. 13 ME 267112 und OVG Rheinland-Pfalz vom 13.02.2013 Az. 6 B 10035/13 in die weitere Betrachtung einzubeziehen. Denn in ihren Ausführungen stützen sie materiell eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB.

Gravierende Auswirkungen hat die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg, auf das weitere Handeln der Verwaltung im Land Baden-Württemberg.
Die Verwaltung ist einerseits gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden und besitzt keine Normenverwerfungskompetenz. Gleichzeitig besteht aber andererseits die Gefahr, ein Eilverfahren nach dem Anderen zu verlieren, da immer die gleiche Argumentation des VGH greift. Hier bestünde die Gefahr der Beschädigung des Rechtsfriedens und es würde gleichzeitig zu einer starken Unzufriedenheit bei Verbrauchern und Gewerbetreibenden führen.
Baden-Württemberg hat aus diesem Grund entschlossen die weiteren Internetveröffentlichungen auszusetzen und bereits erfolgte Einträge, von der Webseite zu nehmen. Dies wird so lange der Fall sein, bis der Bund die Gesetzgebung entsprechend angepasst hat.
Es bleibt weiterhin abzuwarten, wie zukünftig entschieden wird. Nach ersten Urteilen zum VIG haben die Bundesländer bereits Anpassungen der bestehenden Einträge auf den entsprechenden Webseiten vorgenommen.

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